autorinnengruppe

Buxtehude schreibt

Buxtehuder Autorinnengruppe: sage & schreibe

 
Paperback228 Seiten
Art-Nr.: ISBN: 978-3-938097-4
Preis: EUR 12.00
Versand: EUR 0.00

 

Neu: Anthologie von Autoren einer Stadt

Buxtehuder schreiben über Buxtehude(r)

Geschichten, Gedichte, Essays – herausgegeben Gruppe „Sage und Schreibe“

                                                        

Zum Inhalt

 

29 Autoren hat die Buxtehuder Autorinnen-Gruppe „Sage und Schreibe“ animieren können, Geschichten über ihre Stadt und ihre Bewohner zu schreiben. Es sind Geschichten über die verlockende Vorstellung einer Bosa Nova Bar am Buxtehuder Fleth, eine Begegnung in einem Buxtehuder Café, in dem es zu einem Gespräch über Gott und die Welt kommt, ein posthumes Interview mit dem Organisten und Komponisten Dieterich Buxtehude, über Begegnungen mit Winfried Ziemann und den Preisträgern des „Buxtehuder Bullen“ oder ein fiktives Treffen mit dem berühmten Buxtehuder Gerhard Halepaghe. Sachtexte wechseln sich mit literarischen Texten ab.

Es sind Texte von Autoren, die in oder um Buxtehude leben und (fast) alle Texte haben einen Bezug zur Hansestadt. Der Fotograf Dennis Williamson illustriert mit seinen Fotos die Texte – sie zeigen Details der Stadt.

 

Die Autoren/innen

Die Buxtehuder Autorinnengruppe „sage & schreibe“ hat für das Buchprojekt „Buxtehude schreibt“ die Texte zusammengetragen und im MCE Verlag veröffentlicht. Einige der Autoren lesen regelmäßig im „Literarischen Café“ in Buxtehude, andere tragen ihre Texte auf Poetry Slams vor. Weitere Infos zum „Literarischen Café“: www.kulturforum-hafen.de

 

Titelinformation:

Buxtehude schreibt – Geschichte und Geschichten aus und um Buxtehude, hrsg. v. d. Buxtehuder Autorinnengruppe „sage & schreibe“, Paperback, 228 Seiten, ISBN: 978-3-938097-48-9, MCE Verlag, Preis: 12,80 €

 

 

 

 

 

 

 

Einige Autorinnen der Gruppe „sage und schreibe“ (hinten von links): Lesli Omohundro-Bronczkowski, Susanne Seemann, Irma Erckrath sowie (vorne von links): Elke Müller, Daniela Hege-Treskatis, Andrea van Leeuwen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leseprobe: 1 von 29 Texten

 

Hans Peter Kölzer

 

Salatteller oder Cappuccino

 

Höchst zufrieden verlasse ich an diesem Samstagvormittag das Kaufhaus Stackmann in Buxtehude. Den lästigen Klamotteneinkauf für das Frühjahr habe ich erfolgreich hinter mich gebracht. Eine Edeljeans, ein helles Sakko für everyday, dazu ein passendes Hemd und ein Paar leichte braune Halbschuhe. Der eisige Wind, der durch die Lange Straße fegt und an der prall gefüllten Einkaufstüte zerrt, macht mir allerdings zu schaffen. Es ist ungemütlich kalt. Ich werfe einen Blick auf die Armbanduhr; erst halb zwölf. Meine Frau Helen wird noch nicht zuhause sein. Also, Zeit für einen kleinen Salat im Amadeus. Oder doch lieber nur einen Cappuccino im Café schräg gegenüber? Ich schwanke kurz, dann entscheide ich mich fürs ‘oder‘.

Im Café Schrader ist es brechend voll. Enttäuscht will ich den Rückzug antreten, da entdecke ich am Fenster noch einen freien Stuhl. Ich zwänge mich zwischen ein junges Pärchen und einen älteren Mann. Nachdem ich meine Bestellung aufgegeben habe, blättere ich in einer Tageszeitung, die bei der Garderobe lag. Beim Artikel zur aktuellen Syrienkrise ‚Obama schweigt – Die Weltmacht hält sich heraus‘ bleibe ich hängen. Ich merke, dass der alte Mann neben mir mich beobachtet. Als ich Platz genommen hatte, war mir seine etwas ungepflegte Erscheinung aufgefallen – zerzaustes weißes Haar, unrasiert, schmuddeliges Jackett.

„Ah“, sagt er unvermittelt, „ich sehe, Sie lesen über Barack Obama.“

Entgeistert wende ich mich ihm zu und schaue in ein von vielen Falten zerfurchtes Gesicht. Große Lust auf eine Unterhaltung mit ihm verspüre ich nicht. Meinen abweisenden Blick ignorierend, fährt er fort: „Wissen Sie, ich habe damals den ganzen Hype um Obama nie verstanden.“

„Wie meinen Sie das?“, frage ich nach kurzem Zögern, um nicht gänzlich unhöflich zu erscheinen. Immerhin, seine sonore Stimme lässt mich aufhorchen.

„Obama wurde doch anfangs maßlos überschätzt, vor allem von uns Europäern. ‚We will change the world‘, das war einer seiner unbescheidenen Sprüche. Und, ich frage Sie, was hat er seitdem auf die Reihe gebracht? Der Irak, inzwischen ein ‚failed state‘. Palästina, eine menschliche Tragödie, und was ist mit dem Gemetzel in Syrien?“

Die letzten Worte sagte der alte Mann mit grimmiger Stimme. Neugierig mustert er mich nun.

„Sie schauen so kritisch. Haben Sie eine andere Meinung?“

Ich überlege, ob ich ernsthaft in die Diskussion einsteigen soll.

„Ehrlich gesagt, Obama hat mich anfangs auch sehr mitgerissen“, wiegele ich ab. „Ist er nicht ein erstaunlich charismatischer Mensch?“

„Ja natürlich, aber genau darin liegt das Problem“, erwidert der alte Mann. Er ist sichtlich erfreut, einen Gesprächspartner gefunden zu haben. Zwischen seinen herunterhängenden Lidern und stark geschwollenen Tränensäcken schauen mich zwei blitzlebendige Augen an.

„Obama hat mit dem vollmundigen ‚Yes, we can‘ die ganze Menschheit kirre gemacht.“

„Ohne Slogans geht es in der Politik nicht, oder?“

„Gewiss, aber dieses ‚Yes, we can‘ war nicht nur extrem simpel, sondern zugleich auch sehr religiös aufgeladen. Obama inszenierte sich damit doch wie ein politischer Messias und weckte gewaltige Hoffnungen.“

„Gut“, wende ich ein, „nach vielen Jahren Cowboy-Politik der Bush-Regierung war der Wunsch nach einer Kehrtwendung verständlich.“

Der alte Mann schaut etwas unwirsch.

„Nein, das ist mir zu einfach. Die Erwartungen an Obama waren ja völlig realitätsfremd. Die Menschen hatten geglaubt, er verspräche ihnen schlechthin die Erlösung von allem Bösen auf der Welt. Ich sage Ihnen mal was. Seitdem die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie allerdings nicht an Nichts, sondern an alle möglichen Heilsversprecher und Demagogen. Aber wir sehen ja, auch ein Obama schafft es nicht, über das Wasser zu laufen.“

„Sind Sie Atheist?“, frage ich spontan.

„Inzwischen ja.“

„War das früher einmal anders?“

„Na klar. Ich war schon alles einmal.“

Der alte Mann macht eine abfällige Handbewegung.

„Bereits als Siebzehnjähriger war ich für kurze Zeit ein beinharter Atheist, in Rebellion gegen mein religiöses Elternhaus. Damals habe ich die ganzen einschlägigen Sachen gelesen: Voltaire, Feuerbach, Karl Marx und Nietzsche selbstverständlich ...“

„Alle Achtung“, zolle ich Respekt. Ich muss daran denken, dass ich mich als Siebzehnjähriger eher mit Mädels beschäftigt hatte.

„Ach was“, fährt er fort, „verstanden habe ich damals lange nicht alles. Als Student mutierte ich dann, etwas gereift, zunächst zum Agnostiker, aus Gründen der Logik. Wenn man nicht beweisen kann, dass es Gott gibt, kann man auch nicht beweisen, dass es ihn nicht gibt. Diese rationale Haltung habe ich allerdings nicht ewig durchgehalten und studierte irgendwann sogar zwei, drei Semester Theologie, weil ich wissen wollte, was die Welt im Innersten zusammen hält.“

„Und, was fanden Sie heraus?“, frage ich.

„Für mich stand die Antwort schnell fest: einfach Nichts.“

„Rein gar Nichts?“

„Definitiv Nichts. Zumindest nichts Göttliches!“

Obwohl ich dem alten Mann eigentlich nicht widersprechen möchte, nehme ich spontan eine Gegenposition ein.

„Wie erklären Sie mir dann aber den Ursprung und die Grundlage unseres Lebens.“

Der alte Mann lächelt verschmitzt.

„Nun gut, die Evolution ist auf jeden Fall der Masterplan, der unsere menschliche Existenz begründet, ganz einfach.“

„Aber die Evolution, also das Reproduktionsgebot, gibt emotional rein gar nichts her“, werfe ich ein. „Das bedeutet, unser Leben wäre ziemlich sinnentleert.“

Der alte Mann schaut mich offenherzig an.

„Ja, ist es in meinen Augen auch.“

„Aber warum und wofür leben Sie dann noch, wenn Ihr Leben nichts bringt?“

„Eine berechtigte Frage.“ Während der alte Mann kurz überlegt, graben sich die Falten noch tiefer in seine Stirn. „Nun, das Leben kann, wenn man auf der Sonnenseite steht, sehr schön sein. Darüber hinaus will ich im Grunde genommen immer“, fährt er fort, „dass mein Handeln irgendwie nützlich für andere ist.“

„Aber wenn Sie nicht an Gott glauben, gehen Sie doch davon aus, dass nach dem Tod wirklich alles vorbei ist.“

„Ja, definitiv“, sagt er mit betont fester Stimme.

„Wenn aber mit dem Tod alles vorbei ist“, bohre ich nach, „und wir nicht durch ein ewiges Leben im Paradies belohnt werden, bringt doch Nächstenliebe und gegenseitige Hilfe überhaupt keine Vorteile. Warum sollte man sich dann noch mit ethischen Grundsätzen und dem ganzen moralischen Quatsch abgeben? Das hat doch etwas sehr Irrationales.“

Der alte Mann schüttelt missbilligend den Kopf.

„Hören Sie“, seine Stimme bebt leicht, „ist es nicht viel irrationaler, an einen sogenannten allmächtigen, lieben Gott zu glauben. Und wenn es diesen Gott gäbe, er müsste im Gegenteil ein unglaublicher Sadist und Zyniker sein.“

„Wieso?“, sage ich und denke, was für ein geistreiches Gespräch. Der Mann gefällt mir.

„Da fragen Sie noch, wieso.“

Er lacht verächtlich in sich hinein.

„Wenn es einen Gott gäbe, dann hätte ihn doch das grausame Wüten der Nazis, die Vergasung vieler Millionen Juden kalt gelassen. Dann hätte er das Blutbad in Srebrenica ignoriert. Dann schaute er heute in aller Ruhe den Fassbomben werfenden Regierungstruppen in Syrien zu. Mit Vietnam, Ruanda, Biafra, Somalia oder Darfur will ich erst gar nicht anfangen.“

(...)


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